Maverick Processing

Björn Richerzhagen
2 min readJul 9, 2021

Was ist Maverick Processing?

Maverick Processing ist die Bearbeitung eines Vorgangs außerhalb der standardisierten Prozesse. Maverick Processing ist ein Begriff aus dem Organisationsmanagement. Der Begriff ist angelehnt an das Maverick Buying aus dem Bereich Beschaffungswesen: Maverick Buying ist der eigenmächtige Einkauf ohne Einbezug der standardisierten Beschaffungswege. Analog dazu liegt Maverick Processing vor, wenn Angehörige einer Organisation Vorgänge bearbeiten, ohne die vorgegebenen Prozessabläufe einzuhalten.

Wie kann ich Maverick Processing erkennen?

Zum Beispiel liegen Rechnungen vor, für die keine Bestellung durch den Einkauf getätigt worden ist. Oder Lagerbestände steigen, ohne dass zuvor Warenzubuchungen erfolgt sind.

Und generell: Wenn Informationen im Prozessablauf fehlen, deutet das auf Maverick Processing hin.

Wie kommt es zum Maverick Processing?

Die Bearbeitung außerhalb der vorgegebenen Prozesse lässt sich in Regel auf mehrere der nachfolgenden Gründe zurückführen.

Nichtwissen der Beteiligten

Der Vorgangsbearbeiter kennt die geltenden prozessualen Vorgaben schlichtweg nicht. Eine mangelhafte Lenkung von Dokumenten, ein schlechter und nicht kommunizierter Aufgabenzuschnitt, schlechtes Change Configuration oder Process Configuration Management oder auch eine schlechte Einarbeitung beim Mitarbeitereintritt oder Stellenwechsel können hierfür Gründe sein.

Nicht-Führung

Abweichungen vom definierten Prozessablauf werden seitens der funktionalen Verantwortungsträger sowie der Führungskräfte billigend in Kauf genommen. Dadurch wird es schleichend zum Teil der Unternehmenskultur, dass Maverick Processing geduldet wird — mit entsprechenden Konsequenzen für das Prozessmanagement in der Organisation.

Silo-Denken

Übergreifende Ende-zu-Ende-Prozesse sind stets im Hinblick auf die Ziele der Gesamtorganisation zu gestalten. Jedoch verstärkt die Gliederung einer Organisation in Abteilungen, Divisionen und Bereiche (gar einhergehend mit Profit-Center-Betrachtungsweisen) das Streben nach lokaler Autarkie. Diese begründet oft ein In-Frage-Stellen übergreifender Prozesse. Es kommt zu einem Silo-Denken.

Schlechte Zielarchitektur

Im Prozess involvierte Bereiche müssen die gleichen Ziele anstreben. Gibt es hier Abweichungen untereinander, kann die Prozessgestaltung nicht mehr auf die gemeinsamen Ziele einzahlen. Die Zielkonflikte führen zum Abweichen vom Standardprozess, also zu Maverick Processing. Beispielszenario: Der Fertigungsbereich verfolgt Kosten- und Qualitätsziele, der Vertrieb jedoch Kosten- und Geschwindigkeitsziele. Um das Geschwindigkeitsziel erreichen zu können, verkauft der Vertrieb substituierende Handelsware anstelle von eigenen Produkten.

Schlechte Prozesse

Der standardisierte Prozess, von dem abgewichen wird, ist vor geraumer Zeit entstanden und trägt bürokratische Altlasten in sich. Unternehmensfusionen, völlig neue Marktbedingungen, Re-Organisationen etc. haben nicht dazu geführt, dass man Prozesse “neu denkt”. Im Gegenteil: “Weil wir es immer schon so gemacht haben”, werden alte Muster und damit administrative Hürden fortgeführt.

Keine Prozess-Definition

Es kann auch vorkommen, dass gar kein standardisierter Prozess existiert. Das Geschäft entwickelt sich und bestimmte Abläufe müssen aufgrund steigender Nachfrage häufiger wiederholt werden. Eine Standardisierung des Ablaufs und dessen verbindliche Vorgabe ist bisher jedoch nicht erfolgt.

Originally published at https://mi-nautics.com on July 9, 2021.

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Björn Richerzhagen

Business and IT consultant with a decade full of BPM history, focussing on model based process management.